Neueste Daten bestätigen unsere Befürchtungen, die Pandemie hat Auswirkungen auf den Konsum von Suchtmitteln. Immer mehr Menschen konsumieren immer größere Mengen an Alkohol und Drogen. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Bindungslosigkeit, Vereinsamung, gesteigerten Angstgefühlen und Suchterkrankungen. 
Häufig sind gerade die Menschen besonders gefährdet, die in Ihrem Leben nicht „sicher gebunden“ waren. Gemeint ist die Erfahrung als Kind angenommen zu werden und sich bei den wichtigsten Bezugspersonen emotional und körperlich sicher zu fühlen. 
Die AWO Fachklinik Legau versucht seit Jahren mit Ihrem Wohngruppenkonzept suchtkranken Frauen, die unsichere Bindungserfahrungen gemacht haben und sich dadurch an Suchtmittel oder selbstschädigende Beziehungspartner gebunden haben, Mut zu machen, neue Bindungserfahrungen in einer suchtmittelfreien therapeutischen Gemeinschaft zu erleben.
Die aktuell erforderlichen Hygienekonzepte verlangen Abstand und verbieten häufig wichtige menschliche Kontakte. Auf den ersten Blick scheint dadurch auch unser Therapieansatz und der Therapieerfolg in Frage gestellt. 
Heute nach einem Jahr mit Corona haben wir gelernt mit der Krise zu leben. Wir können sagen, dass es uns trotz Masken und strengen Hygieneregeln gelungen ist, Menschen einen Start in ein suchtfreies Leben zu ermöglichen. Das belegt auch die geringe Anzahl an Therapieabbrüchen und die spürbar lebendige therapeutische Gemeinschaft.
Die Erfahrung die Krise gemeinsam zu akzeptieren, ohne ihr machtlos ausgeliefert zu sein, hat sowohl bei Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern als auch bei Patientinnen die Erkenntnis gestärkt, dass wir es nur gemeinsam schaffen und uns immer wieder gegenseitig ermutigen können.  Alkohol oder illegale Drogen können Ängste nur für sehr kurze Zeit betäuben und dann die Lage nachhaltig verschlechtern.
Die Klinik hatte in der Coronakrise keinen Tag geschlossen und nimmt weiterhin suchtkranke Frauen und Begleitkinder auf. Therapie trotz Corona macht Sinn!
Thomas Richter
Januar 2021